RECHT | Auftragnehmer: Anforderungen bei freier Kündigung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. März 2023, Aktenzeichen VII ZR 150/22, wirft Licht auf die Anforderungen, denen Auftragnehmer (AN) bei der Darlegung ihres anderweitigen Erwerbs nach einer "freien" Kündigung eines Bauvertrags durch den Auftraggeber (AG) begegnen müssen.

Sachverhalt und Entscheidung:

In dem besagten Fall wurde ein VOB/B-Vertrag vom Auftraggeber "frei" gekündigt. Der Auftragnehmer forderte eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 22.000 Euro. Das Oberlandesgericht (OLG) hielt jedoch nur einen Pauschalanspruch von 1.500 Euro gemäß § 649 Satz 3 BGB a.F. für gerechtfertigt. Das OLG stützte seine Entscheidung auf die unzureichenden Darlegungen des Auftragnehmers bezüglich seines anderweitigen Erwerbs und der behaupteten geringeren wirtschaftlichen Effizienz des alternativen Personaleinsatzes.

Die Revision des Auftragnehmers wurde abgewiesen. Der BGH betonte, dass es zunächst darauf ankomme, ob ein Füllauftrag erlangt oder böswillig nicht erlangt worden sei. Der Auftragnehmer müsse sich dazu wahrheitsgemäß, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erklären. Je wahrscheinlicher ein anderweitiger Erwerb sei, desto genauer müssten die Angaben sein. Da im vorliegenden Fall greifbare Anhaltspunkte für eine wirtschaftlich gleichwertige Beschäftigung des Personals bestanden, sei das OLG zu Recht von einer Verletzung der sekundären Darlegungspflicht durch den Auftragnehmer ausgegangen.

Praxishinweis:

Die Entscheidung verdeutlicht, dass der anteilige Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach einer freien Kündigung des Auftraggebers von vornherein nur abzüglich der ersparten Aufwendungen und eines anderweitigen Erwerbs besteht. Die Beweislast für die Höhe dieser Abzüge liegt beim Auftraggeber, der jedoch regelmäßig keine Kenntnis über die Betriebsinterna des Auftragnehmers hat.

Es wird daher darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer im Rahmen seiner Abrechnung über die kalkulatorischen Grundlagen so viel vortragen muss, dass dem Auftraggeber eine sachgerechte Rechtswahrung ermöglicht wird. Ein unzureichender Vortrag kann nicht durch eine gerichtliche Schätzung gemäß § 287 ZPO "geheilt" werden.

Es gilt jedoch eine abgestufte Darlegungspflicht. Während genauere Ausführungen zu den ersparten Aufwendungen erforderlich sind, kann es hinsichtlich des anderweitigen Erwerbs unter Umständen genügen, diesen pauschal oder sogar stillschweigend zu verneinen.

Für Auftragnehmer kann es ratsam sein, sich bei ihrer Abrechnung zunächst auf den Mindestvortrag zu beschränken. Falls das Gericht weitere Ausführungen zu den Füllaufträgen für notwendig erachtet, muss es darauf hinweisen und Gelegenheit zur Nachbesserung geben. In manchen Fällen kann also "Weniger" tatsächlich "Mehr" sein.

Quelle: https://kurzelinks.de/0m93

© jat306 | AdobeStock
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