Zum Inhalt springen
BBIK ...denn Ingenieure bauen (d)eine Zukunft

Bezahlbarer Wohnraum und die Rolle der allgemein anerkannten Regeln der Technik

Die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum ist in Deutschland längst kein Randthema mehr. Auch in Brandenburg sehen sich Kommunen, Bauherren und Ingenieure mit steigenden Baukosten und einem wachsenden Bedarf an preiswertem Wohnraum konfrontiert. Neben Faktoren wie Grundstückspreisen, Materialkosten und Fachkräftemangel wird zunehmend ein weiterer Aspekt in den Mittelpunkt gestellt: die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (aRT).

Allgemein anerkannte Regeln der Technik – eine Einordnung

Die aRT sind im Bauwesen seit langem ein unverzichtbarer Bezugspunkt. Sie umfassen Verfahren und Ausführungsweisen, die sich in Wissenschaft und Praxis durchgesetzt haben und die von Fachleuten als technisch geeignet und notwendig angesehen werden. Sie unterscheiden sich vom „Stand der Technik“, der stets das maximal technisch Machbare beschreibt, und vom „Stand von Wissenschaft und Technik“, der zusätzlich neueste wissenschaftliche Erkenntnisse einbezieht.

Die Einhaltung der aRT gewährleistet ein Mindestmaß an Sicherheit und Qualität. Sie geben Bauherren und Auftragnehmern Orientierung, wenn im Vertrag keine ausdrücklichen Ausführungsstandards festgelegt sind. Damit sichern sie nicht nur Bauqualität, sondern auch Rechtssicherheit im Bauvertragsrecht.

Rechtliche Verortung und aktuelle Herausforderungen

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt, dass Bauunternehmen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet sind, Bauleistungen nach den aRT auszuführen. Maßgeblich ist der Stand der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. Ändern sich die Regeln während der Bauphase, muss der Unternehmer den Auftraggeber informieren und die Anpassungen umsetzen.

Genau diese Rechtslage führt jedoch in der Praxis zu Schwierigkeiten. Bauprojekte werden komplexer, Planungs- und Bauzeiten länger. Änderungen der aRT während laufender Vorhaben können Mehrkosten verursachen, deren Verteilung zwischen Bauherr und Bauunternehmen oft strittig ist. Die Folge sind Verzögerungen, Nachtragsforderungen und in vielen Fällen steigende Gesamtkosten – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Bezahlbarkeit von Wohnraum.

Reformbedarf im Werkvertragsrecht

Ein Kernproblem liegt in der derzeitigen Ausgestaltung von § 633 BGB, der die Mängelhaftung bei Werkleistungen regelt. Hier fehlt eine eindeutige gesetzliche Einordnung der aRT. Während sie faktisch einen wesentlichen Maßstab darstellen, ist ihre Rolle im Gesetz nicht ausdrücklich verankert. Diese Unschärfe trägt dazu bei, dass Kosten- und Haftungsfragen häufig erst im Streitfall geklärt werden.

Rechtliche Gutachten und politische Initiativen plädieren deshalb für eine Reform, die die Rolle der aRT klarer definiert. Ziel ist es, Bauvorhaben planbarer und kostensicherer zu gestalten, ohne dabei die bauliche Qualität zu gefährden. Besonders für den Wohnungsbau könnte eine solche Anpassung ein entscheidender Beitrag sein, um Kostensteigerungen zu dämpfen.

Für Ingenieurinnen und Ingenieure stellt sich die Frage, wie technische Standards weiterentwickelt und gleichzeitig flexibel angewendet werden können. Die Balance zwischen Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit ist dabei zentral. Klarere gesetzliche Rahmenbedingungen könnten helfen, Konflikte zu vermeiden und Bauprojekte effizienter umzusetzen.

Die Diskussion um die aRT ist somit mehr als eine juristische Debatte. Sie berührt unmittelbar die Zukunft des Wohnungsbaus in Deutschland und Brandenburg. Ingenieure sind dabei in einer Schlüsselrolle: Sie setzen technische Standards um, bewerten deren Auswirkungen auf Kosten und Qualität und können durch innovative Ansätze zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum beitragen.

Quelle: https://kurzlinks.de/6qah

© Art Media Factory | AdobeStock
© Art Media Factory | AdobeStock

Link per E-Mail teilen

Ihre Empfehlung wurde erfolgreich an versendet!

Leider ist ein Fehler beim Senden aufgetreten.

Bezahlbarer Wohnraum und die Rolle der allgemein anerkannten Regeln der Technik | Brandenburgische Ingenieurkammer