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BBIK ...denn Ingenieure bauen (d)eine Zukunft

VOB/B: Maßgeblichkeit der tatsächlichen Kosten – Neue Maßstäbe für die Preisanpassung im Bauvertrag

Die Preisermittlung im Bauvertragsrecht befindet sich im Wandel. Mit seinem vielbeachteten Urteil vom 8. August 2019 hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Paradigmenwechsel eingeläutet: Die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags sind bei der Bildung neuer Einheitspreise nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B „maßgeblich“. Dieser Grundsatz – mittlerweile als „Paukenschlagurteil“ bekannt – betrifft nicht nur die genannten Regelungen, sondern dürfte zukünftig auch § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B prägen.

Für Ingenieurinnen und Ingenieure in der Praxis bedeutet das: Die transparente Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der tatsächlichen Kosten wird immer wichtiger. Gleichzeitig eröffnen sich neue Argumentationsspielräume bei Preisverhandlungen, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Materialkosten und volatiler Märkte.

Tatsächliche Kosten statt fiktiver Kalkulationen

Im Mittelpunkt der BGH-Entscheidung steht die Abkehr von pauschalen oder rein kalkulatorischen Ansätzen bei der Neuberechnung von Einheitspreisen. Entscheidend ist nicht mehr, wie ein Preis ursprünglich kalkuliert wurde, sondern welche Kosten tatsächlich entstehen – auch wenn sich diese seit Vertragsschluss erheblich verändert haben.

Ein typisches Praxisbeispiel zeigt: Steigt der Preis für ein ursprünglich vorgesehenes Material (M1) während der Bauzeit erheblich oder wird durch ein teureres Ersatzmaterial (M2) ersetzt, sind die aktuellen tatsächlichen Kosten für M2 anzusetzen. Gleiches gilt für Arbeits- und Gerätekosten, sofern sie nicht bestritten werden.

Zuschläge: Verhältnismäßigkeit statt Willkür

Auch bei der Zuschlagsberechnung verlangt der BGH eine sachgerechte Herleitung. Der Zuschlagsfaktor – bestehend aus Gemeinkosten und Gewinn – soll sich aus dem ursprünglichen Verhältnis von Preis und tatsächlichen Kosten ergeben. Im Klartext: Wenn der ursprünglich vereinbarte Preis 140 € betrug und die tatsächlichen Kosten 100 €, ergibt sich ein Zuschlag von 40 %, also ein Faktor von 1,4.

Dieser Zuschlag darf auch auf die neuen tatsächlichen Kosten angewendet werden – allerdings idealerweise nicht auf Basis einer einzelnen Teilleistung, sondern unter Berücksichtigung der Gesamtvergütung des Vertrags. So wird verhindert, dass einzelne Positionen mit ungewöhnlich hoher Marge den gesamten Vertrag verzerren.

Auswirkungen auf die Baupraxis und Vertragsgestaltung

Für Mitglieder der Brandenburgischen Ingenieurkammer ergibt sich daraus eine klare Handlungsanleitung:

  1. Dokumentieren Sie Ihre tatsächlichen Kosten nachvollziehbar, insbesondere bei Materialbeschaffung, Lohnkosten und Geräteeinsatz.
  2. Verwenden Sie realistische Zuschlagsfaktoren, die auf dem Gesamtprojekt basieren und nicht nur auf Einzelleistungen.
  3. Verankern Sie klare Regelungen zur Preisanpassung im Vertrag, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.
  4. Nutzen Sie die aktuelle BGH-Rechtsprechung aktiv als Argumentationsgrundlage bei Nachtragsverhandlungen.

Gerade in Zeiten stark schwankender Marktpreise bietet diese Entwicklung mehr Rechtssicherheit und Transparenz – sofern beide Seiten ihre Kalkulationsgrundlagen offenlegen und sachlich argumentieren.

Die Maßgeblichkeit der tatsächlichen Kosten als Chance

Die Entscheidung des BGH bringt nicht nur Klarheit, sondern auch Verantwortung. Ingenieurinnen und Ingenieure sollten diese neue Rechtsprechung nicht als Belastung, sondern als Chance für faire und sachgerechte Vertragsabwicklung verstehen.

Quelle: https://kurzlinks.de/tdso

© ElitProd | AdobeStock
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